Kommt man in Unternehmen, die grad erst damit beginnen, sich mit Ihren Geschäftsprozessen zu beschäftigen (oder ihr altes Konzept verjüngen), stellt man immer wieder die gleichen Dinge fest. Vor allem wenn es um das Thema „Prozesse dokumentieren“ geht, scheinen viele die gleichen Vorgehensweisen zu wählen. Und tappen alle in die gleiche Falle. Ich nenne das immer die „Golden-Gate-Bridge-Falle“.

Der häufigste Start

Der Start in die Welt der Geschäftsprozesse beginnt bei den meisten Unternehmen, ob klein oder groß, ganz oft mit dem Bedürfnis, die eigenen Abläufe zu dokumentieren. Soweit, so gut. Denn nichts ist wichtiger, als überhaupt in Bewegung zu kommen.

Die weiteren Schritte

Jetzt gibt es zwei Möglichkeiten, wie die Unternehmen damit beginnen, und damit weiter machen:

  1. Es wird nur einmalig und in Ausschnitten dokumentiert. Das ist das typische Projektvorgehen. Was dort passiert, wird dokumentiert. Alles links und rechts, oder was nach dem „Roll-Out“ passiert, interessiert nicht.
  2. Es gibt einen Plan. Und dieser Plan sieht vor, eben nicht nur projektspezifisch zu agieren, sondern für Transparenz im ganzen Unternehmen zu schaffen. Passiert meist, wenn Prozessmanagement wirklich ganzheitlich eingeführt werden soll.

Mit dem ersten Fall möchte ich mich an dieser Stelle nicht befassen. Denn in solchen Fällen gibt es weitaus mehr Fallen und Nachteile, als nur die Golden-Gate-Falle.

Bei Variante 2 ist es dann oft so oder so ähnlich:

  • man beschließt, Prozesse zu dokumentieren
  • man entscheidet sich für eine bestimmte Art der Dokumentation, z.B. über eine standardisierte Prozessbeschreibungen / Ablaufbeschreibungen oder Modellierung von EPK
  • man zieht los, um alle Prozesse im Unternehmen auf die festgelegte Art und Weise zu dokumentieren

Peng! Und genau hier liegt die Golden-Gate-Falle. Wenn man versucht, nach und nach alles Prozesse zu dokumentieren, und das noch mit der gleichen Dokumentationsform.

Die Golden-Gate-Falle

Der ein oder andere kennt vielleicht diese Geschichte über die Golden-Gate-Bridge. Ob sie wahr ist, weiß ich leider selbst nicht, soll aber dem Vergleich hier keinen Abbruch tun.

Die Golden-Gate-Bridge ist nicht nur riesig lang, sondern vor allem durch ihre imposante Farbe bekannt. Um dieses Merkmal Aufrecht zu erhalten, muss die Brücke regelmäßig gestrichen werden. Bei einer Gesamtlänge von 2,8km keine Aufgabe, die man an einem Tag oder mal so nebenher macht. Also hatte man folgende Idee:

  • man startete einfach auf einer Seite und arbeitet sich langsam mit den Streicharbeiten durch zur nächsten Seite
  • da hier ziemlich viel Zeit vergeht, ist die Farbe am Anfang schon wieder verblasst, wenn man am Ende angekommen ist
  • also kann man direkt wieder von vorne beginnen. Eine Lebensaufgabe!

So ähnlich ist es bei oben genannten Unternehmen. Oft ist gar nichts oder wenig dokumentiert, und man startet mit dem Vorhaben, erstmal alles von links nach rechts zu dokumentieren (oder eben nach einer bestimmten Priorität). Alles schön Schritt für Schritt, bis man durch ist.

Und danach ist es wie bei der Golden-Gate-Bridge: man stellt fest, dass man wieder von vorne anfangen muss, denn was man am Anfang dokumentiert hat, ist schon längst veraltet. Oder im schlimmsten Fall existieren die Abläufe schon gar nicht mehr.

Was man immer beachten sollte

  1. Prozesse sind dynamisch und ändern sich ständig.
  2. Der Vorteil der Golden-Gate-Bridge: sie steht auch noch und erfüllt ihren Zweck, auch wenn die Farbe verbleicht oder sich komplett löst. Das ist bei Prozessdokumenten wesentlich kritischer. Mache ich etwas laut Beschreibung, was nicht aktuell ist, können Fehler und Kosten entstehen.
  3. Prozessdokumentation hat eine Lernkurve. Die ersten Dokumentationen, vor allem wenn man als Neuling da dran geht, haben sicherlich nicht die Qualität dessen, was man am Ende so fabriziert.
  4. Und die Sache mit der gleichen Dokumentationsform für alles: auch beim Streichen gibt es eine Farbe. Das ist aber lang nicht alles. Oft wird noch gemischt mit Verdünner, jeweils im richtigen Verhältnis. Dazu braucht man je nach „Objekt“, das man streicht, verschiedene Pinsel oder Hilfsmittel, oder muss an manchen Stellen mehrfach streichen. Genauso ist es auch bei der Prozessdokumentation: nur mit einer Farbe und einem Pinsel ans Werk zu gehen, funktioniert schlecht. Teams, Abteilungen oder einzelne Nutzer / Leser, für jeden muss die passende Dokumentationsform gewählt werden, damit das Ergebnis passt.

Empfehlung

Um nicht in die Golden-Gate-Bridge-Falle zu treten, sollten Sie niemals versuchen, alles auf einmal anzugehen. Ein schneller und pragmatischer Start ist gut und wichtig. Aber wie es weitergeht, das sollten Sie vorab genau überdenken:

  • Welche Abläufe soll, will oder muss ich überhaupt dokumentieren?
  • Wie setze ich hier die Prioritäten?
  • Welche Dokumentationsformen nutze ich, um alle Leser & Nutzer entsprechend zu erreichen?

Und ganz wichtig: schon gleich beim Start einplanen, wann die nächste Prüfung des Lackes ansteht. Und zwar vor, lange bevor, ich das Unternehmen einmal komplett durchdokumentiert habe!


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