Vertrocknete Pflanze

Der ein oder andere kennt es vielleicht. Mir geht es ehrlich gesagt auch so. Man kauft sich eine Pflanze, oder macht sich wirklich die Mühe, selbst eine zu setzen. Die Pflanze wächst und gedeiht, man ist sehr zufrieden und auch ein wenig stolz. Doch schon nach kurzer Zeit verkümmert die Pflanze, weil man ständig vergisst, sich um sie zu kümmern und mit lebenswichtigem Wasser zu versorgen. Leider ist es mit den Prozessen in der Geschäftswelt oft ähnlich.

Einmal dokumentiert, dann vergessen

Die Situation in vielen Unternehmen ist nach meiner Erfahrung so oder so ähnlich:

  • Ein ganzheitlicher Ansatz zum Prozessmanagement und der zugehörige Dokumentation fehlt oder ist erst im Aufbau. Prozesse werden meist nur dann erfasst und dokumentiert, wenn Sie im Rahmen neuer Projekte verändert werden sollen (z.B. Automatisierung über IT-Systeme)
  • Prozessdokumente und Prozessmodelle werden nach der Einführung der Prozesse nicht mehr benötigt und vergessen. Aktualisierungen oder Änderungen werden nur selten oder teilweise angepasst.
  • Die Prozesslandschaft wächst vereinzelt um vorhandene Prozesse, ohne diese zu berücksichtigen oder zu integrieren.

Die Folgen sind nicht schwer zu erraten:

  • Veraltete Prozessdokumentationen mit nicht mehr aktuellen Abläufen
  • Wildwuchs in der Prozesslandschaft
  • Hoher Aufwand zur Aktualisierung

Prozesse müssen gepflegt werden

Das Qualitätsmanagement kann als gutes Beispiel dienen, wie man ein System am Leben hält: in einem festen Rhythmus werden interne und externe Audits durchgeführt, um das QM-System zu prüfen und zu bestätigen. Um oben genannte Probleme zu vermeiden, sollten deswegen auch Prozesse über ein ähnliches Kontrollsystem regelmäßig geprüft werden:

  • Ist der Prozess aktuell? Passen Abläufe, Verantwortlichkeiten und Schnittstellen?
  • Sind Prozessdokumentation / Prozessmodellierung aktuell?
  • Ist der Prozess richtig in der Prozesslandschaft verankert und mit anderen Prozessen verknüpft?

Empfehlung: Prozess-Reviews fest einplanen

Prozessreview

Prozessreview

Nach meiner Erfahrung fährt man besonders gut, wenn man für Prozess-Reviews einige verbindliche Regeln festlegt, wie. z.B.:

  • Fixer Zeitabstand zwischen den einzelnen Reviews. Dieser ist individuell zu bestimmen, je nach „Volatilität“ der Unternehmensabläufe. Aber sollte nicht größer als 1 Jahr sein (oder anders ausgedrückt: Mindestens 1 Review pro Prozess pro Jahr)
  • Feste Bearbeitungsdauer: das Review muss innerhalb eines gewissen Zeitraums durchgeführt sein (z.B. 4 Wochen)
  • Verantwortung für das Prozessreview ist klar (Prozess-Owner, Prozessmanager etc.)
  • Verankerung der Review-Termine in den Prozessmodellen bzw. Dokumenten. Eine Übersicht kann z.B. per Reporting oder über einfach Excel-Listen erfolgen

Alles in allem hat man so vielleicht nach eigenem Empfinden einen „unnötigen“ Mehraufwand („Warum sollte ich die Prozesse jetzt prüfen?“; „Ich habe dringendere Aufgaben“). Dafür kann  dieser Aufwand gleichmäßig verteilt werden. Und ist auch in der Summe weitaus niedriger, als Kosten und Zeitaufwand für Nacharbeiten. Und wer hat darauf schon Lust?


5 Kommentare

  1. Die sachlichen Inhalte, die formalen Kategorien, und die informellen Aspekte, persönlichen Bezüge, müssen gleichwertig berücksichtigt werden. Pflege ist ein gutes Wort. Pflege heißt ja wirklich etwas pflegen. Wertschätzen. Ich habe für die Prozessunterstützung ein Instrument entwickelt, STORYBOX – Erzähl mir deine Geschichte. http://www.storybox.de
    Es wird durch die kleine Box eine Zusatzebene eingeführt, eine Art Zwischenebene, die neutral ist und jeder die eigene Nähe und Distanz bestimmen kann, Zeitpunkte etc.
    Ich glaube, wir benötigen solche haptischen, sichtbaren Hilfen, um den eigenen Rhythmus, und den der Prozesse, annehmen zu können.
    Umstülpung ist ein gutes Wort – siehe Paul Schatz, die Umstülpkörper.
    Herzliche Grüße aus Hamburg, Georg Pohl

  2. gepflegt ist zu zaghaft ausgedrückt. In unserer schnellen Zeit sprechen wir von disruptiven Entwicklungen. Oder anders gesagt, Prozesse müssen auf den Kopf gestellt werden. Diese Vorgehensweise ist die große Ausnahme. In der Regel verschwinden die Prozesse in der Betriebsblindheit und sind Opfer immer größerer Störeinflüsse. Ein Drittel und mehr ist normal, aber auch 50% werden schon abgenickt. Es bedeutet, die Hälfte wertvoller Arbeitsleistung wandert in den Müll. Betriebswirtschaftlich eigentlich unvorstellbar. Man versucht, das mit Lohn-Dumping auszugleichen. Auch der volkswirtschaftliche Schaden ist beachtlich durch die Gesundheitsprobleme. Alles in allem wird der Bundeshaushalt geopfert. Wie lange können wir uns das noch leisten?

    • Hallo Herr Kehl,

      ich stimme Ihnen hier zum größten Teil bei. Wenn alleine ich die Fachkonzepte, die ich entwickelt haben, die aber nie oder nur teilweise umgesetzt worden sind, in Euro ausdrücke, kommt da schon einiges zusammen. Aber Prozessmanagement ist eben auch eine Managementaufgabe, und muss von oben gelebt werden.

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