In vielen Bereichen spricht man zwar schon länger von der „Macht der Visualisierung“, aber vor allem in letzter Zeit ist ein richtiger Trend erkennbar. Irgendwie wird alles visualisiert:
- Ziele und Träume visualisiert man am Vision Board.
- Geschäftsmodelle beschreibt man nicht mehr im Business Plan, sondern zeichnet dafür ein Business Modell Canvas.
- Informationen werden in hochwertigen Infografiken und Illustrationen abgebildet.
- Mal ganz abgesehen von den vielen Kreativitätstechniken, bei denen fernab von gewöhnlichen Brainstormings User Stories, Kanban Boards & Co genutzt werden, um Ideen, Abläufe und ähnliches visuell darzustellen.
Auch im Business Process Management gibt es eine Art der Visualisierung. Diese nennt man dort Prozessmodellierung. Allerdings habe ich das Gefühl, dass man in den Unternehmen dem Trend der Visualisierung in diesem Bereich nicht folgt.
Warum man visualisiert
Eigentlich braucht man, denke ich zumindest, die Vorteile von Visualisierungen gar nicht mehr groß erläutern. Es sind immer die üblichen, oft zitierten Punkte wie zum Beispiel:
- Ein Bild sagt mehr als 1000 Worte
- Bilder können schwierige Sachverhalte einfach und einprägsam darstellen
- Bilder sind universell und können von jedem verstanden werden, unabhängig von Sprachen und Bildung
Aus diesen und vielen Gründen mehr ist es absolut verständlich, warum Visualisierungen so oft empfohlen und gerne genutzt werden.
Warum man auch Geschäftsprozesse visualisieren sollte
Das BPM baut mit der Geschäftsprozessmodellierung natürlich auch auf diese Vorteile und Effekte. Wie bei jeder anderen Visualisierungsmethode jedoch auch, bietet das Visualisieren und Modellieren von Geschäftsprozessen noch seine ganz eigenen Vorteile. In der Literatur (und Praxis) am häufigsten zu finden sind unter anderem:
- Transparenz: (alle) Vorgänge werden einfach und übersichtlich dargestellt. Das sorgt nicht nur dafür, dass „verborgenes“ Wissen sichtbar gemacht wird, sondern sichert dieses Wissen auch nachhaltig.
- Zusammenhänge zwischen einzelnen Prozessen werden deutlich aufgezeigt. Es kann aufgezeigt werden, wie einzelne Schritte zusammenhängen, was für einzelne Tätigkeiten benötigt wird, wer verantwortlich dafür ist und welche Ergebnisse erzielt werden
- Durch eine vollständige Visualisierung lassen sich Schwachstellen und Optimierungspotential leichter erkennen
- Geschäftsprozesse können in verschiedenen Sichten visualisiert werden. So lassen sich die Informationen kompakt auf einer groben Ebene darstellen, z.B. für das Management, aber auch sehr detailliert, z.B. in Form von Ablaufbeschreibungen, nach denen Mitarbeiter arbeiten können
- Prozessmodelle sind nützlich für Personen verschiedener Disziplinen. So kann der Fachbereich ein Modell genauso gewinnbringend einsetzen wie ein IT-Fachmann, der daraus seine Systemanforderungen ableitet
Neben diesen mehr oder weniger allgemeinen Vorteilen gibt es noch viele weitere, die meist dann aber stark abhängig von der der tatsächlichen BPM-Strategie sind. Spezifische Vorteile können hier dann zum Beispiel Dinge sein wie, dass man automatisch Stellenbeschreibungen oder Kompetenzprofile aus der Geschäftsprozessmodellierung generiert, Fachkonzepte erstellen kann oder Schnittstellenbeschreibungen erzeugt.
Warum man sich bei der Visualisierung von Prozessen so schwer tut
Bei so vielen Vorteilen muss man sich natürlich die Frage stellen, warum die Visualisierung von Geschäftsprozessen über Prozessmodellierung nicht längst Einzug in alle Unternehmen gehalten hat. Fakt ist jedoch, dass sich viele Unternehmen mit diesem Thema noch sehr schwer tun. Ob große Konzerne, bei denen es teilweise zwar schon sehr gut integriert ist, oft aber nur sehr spärlich genutzt wird, wenn überhaupt. Gar nicht zu sprechen von KMU, bei denen solche Themen quasi gar nicht auf der Agenda stehen. Aus meiner Erfahrung spielen dabei vor allem folgende Gründe eine Rolle:
- Prozesse schriftlich dokumentieren kann jeder, auch ohne Zusatzausbildung als Prozessmodellierer. Zudem kann diese auch jeder lesen. Warum also Geld und Zeit aufwenden für Modellierung? Die große Gefahr, die durch Missverständnisse dabei aber entstehen kann, wird ignoriert.
- Oft ist es auch tatsächlich die Angst, Wissen preis zugeben. Mitarbeiter fürchten Kompetenzeinbußen oder ähnliches, wenn all ihr Wissen irgendwo so abgebildet ist, dass es transparent ist. Dies betrifft Mitarbeiter aller Hierarchiestufen. Unter dem Motto: „Wenn ich mehr weiß als die anderen, bin ich wichtiger!“
- Viele sind auch so selbstsicher, dass sie einfach sagen „Transparenz oder Dokumentationen brauch ich nicht, ich weiß ja, was alles passiert und wie das funktioniert.“ Solche Aussagen hört man besonders oft von Inhabern und Geschäftsführern kleiner und mittelständischer Unternehmen. Das mag vielleicht sogar stimmen, ist aber zumindest ab einer bestimmten Unternehmensgröße zu bezweifeln. Und die Kenntnis über die Abläufe ist das eine. Etwas anderes ist es, aus dem reinen Wissen auch komplizierte Zusammenhänge oder Potentiale erkennen zu können.
- Last but not least sind auch immer die Kosten ein Thema. Prozessmodellierung erfordert hohe Investitionssummen in entsprechende Tools, so die Meinung der Meisten. Mag sein, muss aber nicht. Das kommt natürlich darauf an, für welche Lösung (abhängig von der Strategie!) man sich entscheidet. Aber mittlerweile gibt es schon jede Menge Tools auf dem Markt, du für wenig Geld sehr gute Dienste leisten. Und somit auch bestens für die bereits genannten KMU geeignet sind. (Das ist nämlich ein weiterer Faktor: „Ach, solche Tools sind doch nur was für große Unternehmen)
Fazit
In wie weit der Trend zur Visualisierung die Unternehmen im Sinne einer Prozessmodellierung erfasst, bleibt abzuwarten. Dennoch bestätigen viele Erfolgsgeschichten, dass man durch solche Dokumentationsmethoden gute und wichtige Ergebnisse erzielen kann. Und zwar unabhängig von Branche oder Unternehmensgröße. Oft spielt noch eine gewisse Art Angst, aber auch Unwissenheit mit, wenn es für Unternehmen um solche Lösungen geht. Hier ist klar zu empfehlen, auch wenn das vermutlich nun stark nach Eigenwerbung riecht: Fachmann hinzuziehen, der über dieses Thema Bescheid weiß und für Aufklärung sorgt. Und dadurch aufzeigt, wie vorteilhat eine Visualisierung im BPM für jeden sein kann.
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