Nicht nur im Prozessmanagement ist die Prozesslandkarte ist ein wichtiger Baustein. Auch Qualitätsmanagementnormen, wie z.B. die DIN EN ISO:9001 fordern, den prozessorientierten Ansatz durch eine Prozesslandkarte zu festigen. Seit der Revision der DIN in 2015 gibt es sogar Vorgaben, welche Inhalte in der Prozesslandkarte dargestellt werden sollen: Unternehmensprozesse und deren Wechselwirkungen mit den jeweiligen Verantwortlichen sowie In- und Outputgrößen. Soweit eigentlich ganz gut. Allerdings ist die Prozesslandkarte weder im QM noch im BPM standardisiert. Was man vorteilhaft als individuelle Freiheit bezeichnen kann, verleitet doch auch oft dazu, es sich zu einfach zu machen. Die Folge: wesentlicher Nutzen und Mehrwert einer Prozesslandkarte gehen verloren.
Aus meiner Sicht gibt es 3 Dinge, die eine gute Prozesslandkarte ausmachen:
1. Darstellung der Ablauforganisation, nicht der Aufbauorganisation
Oder etwas weniger formell ausgedrückt: die Prozesslandkarte enthält wirklich Prozesse und ist nicht nur eine Kopie des Organigramms. Oft macht man es sich an dieser Stelle nämlich sehr einfach. Anhand des organisatorischen Aufbaus des Unternehmens lassen sich Bereiche, Abteilungen oder Teams recht unkompliziert in eine der drei Prozessarten verschieben. So landet
- das Controlling in den Führungsprozessen,
- die Produktion in den Kernprozessen und
- die EDV in den Unterstützungsprozessen.
Hat man die gesamte Organisation in der Landkarte abgebildet, werden schnell noch ein paar Verknüpfungen gezogen, fertig ist das gute Stück.
Geht man so vor, verliert man oft einen wesentlichen Nutzen: nämlich die Darstellung der wirklich wertschöpfenden Prozesse und die Zusammenhänge davon. Man sollte hierbei immer im Hinterkopf haben, dass die Prozesslandkarte die grafische Abbildung des Unternehmens UND der Unternehmensstrategie ist. Der Aufbau des Unternehmens, der in der Regal noch funktional und nicht prozessorientiert ist, kann dies nicht widerspiegeln.
2. Kernprozesse werden aus Kundensicht betrachtet
Ähnliches gilt für die Betrachtung der Kernprozesse. Eine optimale Betrachtung legt hier den Fokus auf den Kunden, nicht das Unternehmen selbst. Was möchte der Kunde? Welche Bedürfnisse hat er / sie? Was sind die Anliegen und Wünsche? Kann man diese Fragen beantworten ist es ein einfacher Schritt auch zu sagen, welche Schritte ich als Unternehmen denn ausführen muss, um genau diese Anliegen und Bedürfnisse zu erfüllen.
Fokussiere ich mich auf nur ein Kundenbedürfnis und den Weg zu seiner Erfüllung, dann betrachte ich diesen Prozess End-to-End. Im Gegensatz zu den Kernprozessen, die meist nur in einer Wertschöpfungskette dargestellt werden, bietet ein Unternehmen aber durchaus mehr als nur „eine Sache“. Es gibt also in jedem Unternehmen mehrere E2E-Prozesse. Dies – oder was denn überhaupt für den Kunden getan wird und im Fokus des Unternehmens steht – ist manchen oft gar nicht wirklich klar. Wie bei dem Software-Unternehmen, das als Kernprozess „Software-Entwicklung“ stehen hat, aber einen großen Teil seine Geldes durch den Software-Support verdient, welcher in den Unterstützungsprozessen gelandet ist.
3. Die Prozesslandkarte ist nur die Spitze des Eisbergs
Wer sich schon mal mit der der Organisation und Strukturierung von Geschäftsprozessen, manchmal auch als Prozessarchitektur (oder ein Teil davon) bezeichnet, dem ist sicherlich die Prozesspyramide (oder Prozess-Ebenen-Pyramide, Prozess-Ebenen-Konzept) bekannt. Dies ist eine grafische Darstellungsform zum Aufbau und Strukturierung von Geschäftsprozessen über mehrere Darstellungsebenen. An der Spitze dieser Pyramide steht die Prozesslandkarte.
Und das aus gutem Grund, denn die Prozesslandkarte ist die Basis für eigentlich alles, was im Prozessmanagement noch kommt:
- Darstellung und Dokumentation von weiteren Abläufen, z.B. in Prozessbeschreibungen
- Prozessorientierter Aufbau und Regelung von Verantwortlichkeiten, z.B. auch Schnittstellenoptimierungen
- Prozessoptimierung, sei es die Harmonisierung, Standardisierung oder Automatisierung von Geschäftsprozessen, oder die komplette Neugestaltung von Ziel- und Sollprozessen
„Gute Prozesslandkarten“ sind auf und mit einer solche Prozessarchitektur abgestimmt und bilden eine Einheit. D.h. die Prozesslandkarte steht niemals allein, sondern ist nur der Ausgangspunkt.
Fazit:
Prozesslandkarte ist nicht Prozesslandkarte. Wenn man schon eine erstellt, dann ist es nur wenige Mehraufwand, das Thema im Sinne eines ganzheitlichen Business Process Management richtig anzugehen. Der Nutzen übersteigt den Aufwand nämlich deutlich. Allerdings darf man nicht erwarten, dass Normen oder Standards dabei weiterhelfen.
Kommentare
Sehr geehrter Herr Ruffing,
ich habe Ihren Podcast über das Konventionenhandbuch gehört. Das war sehr interessant und bringt mich wirklich weiter. Nun habe ich zwei Bitten:
Könnten Sie so freundlich sein und mir
1) das Muster für ein Konventionenhandbuch, von dem Sie im Podcast gesprochen hatten und
2) die Beschreibungen der wichtigsten Symbole und Objekte der EPK, die Sie entwickelt haben,
zusenden?
Das würde mich sehr freuen.
Viele Grüße und bleiben Sie gesund!
Ortrud Elmer