Die Standardisierung ist eines der wichtigsten Instrumente zur Prozessoptimierung. Leider wird sie oft unterschätzt und verkannt. Dies liegt daran, dass meist falsche Vorstellungen vorliegen, die den Vorhaben im Wege stehen.
Heute möchte ich kurz auf die 3 wichtigsten Irrtümer eingehen.
Irrtum 1: Standardisierung bedeutet „von der Stange“
Gerade im Bereich der Geschäftsprozesse glaubt man, dass die Standardisierung von Prozessen bedeutet, dass man Stangenware erhält. In manchen Fällen ist das auch so. Im Bereich von IT- & Softwarelösungen gibt es Standardprozesse, die dort abgebildet werden, und angepasst werden können oder sollen. Diese passen – mal mehr oder mal weniger – auf das eigene Unternehmen.
Redet man von „Best-Practice“ Prozessen, dann glauben einige auch, dass hier das „Best“ immer auch für das eigene Unternehmen passen muss. Das ist oft nicht so. Best-Practices sollten als Orientierung dienen und nicht als gegeben gelten.
Standardisierung kann – soll – aber vor allem bedeuten: ich prüfe genau, welche Abläufe und Aufgaben in meinem Unternehmen immer gleich ablaufen sollen. Und genau diese definiert man als Standard.
Im Rahmen dieser Standardisierung lohnt es sich dann auf jeden Fall, auch mal über den Tellerrand zu schauen. Was macht der Markt? Was machen andere Branchen? Wie sieht der Best-Practice aus?
So findet man meist einen „individuellen“ Standard, der das beste aus den Welten – inkl. der eigenen Unternehmenswelt, optimal vereinigt.
Irrtum 2: unsere Prozesse sind zu individuell – wir können nicht standardisieren
Ja, jeder mag ja gerne so individuell wie möglich sein. Und am besten noch sehr komplex. Denn Individualität & Komplexität werden oft als besonders gut & hochwertig angesehen.
Also nicht verwunderlich, dass viele hier besondere Glaubenssätze haben. Diese sind in der Regel aber verzerrt.
Verzerrt? Ja. Denn natürlich hat jedes Unternehmen seine Spezialitäten und Eigenheiten. Das ist gut so. So unterscheidet sich jedes Unternehmen von seinen Wettbewerbern. Und so wird überhaupt erst ein Unternehmenserfolg möglich.
Verzerrt deswegen, weil diese Individualität aber oft nicht auf der Ebene von Prozessen & Abläufen zu finden ist, sondern sich in Details oder den einzelnen Ausprägungen wiederfindet.
Ein Beispiel:
Gerade im Einkauf oder den Beschaffungsprozessen erlebe ich immer wieder, dass viele Unternehmen sehr überzeugt sind, dass alles so individuell ist und nicht verbessert werden kann.
Dabei ist der Beschaffungs-Prozess erstmal überall gleich:
jemand möchte etwas -> es wird ein passender Lieferant gesucht -> es werden Angebote und Preise verhandelt -> es wird bestellt (nur mal in Kurzform). Genauso ist der rudimentäre Prozess.
Und wo kommt nun die Individualität und die Besonderheiten? Die sind dann in den Details zu finden. Zwei Beispiele:
1) Welche Artikel / Material bestelle ich? Hier kommt meist Know-How aus z.B. Technologie, Produktmanagement etc. zum Tragen.
2) Wie komme ich zu meinen Lieferanten? Wie verhandele ich Preise? Hier stehen sehr individuelle Einkaufs- und Lieferantenstrategien im Fokus.
D.h. die wahren Unterschiede kommen erst „unterhalb“ von Abläufen und Tätigkeiten, die oftmals wunderbar als Standard abgebildet werden können. Wer es schafft, seine Perspektive so zu entzerren, erzielt genau dort gewinnbringende Vorteile.
Irrtum 3: Standardisierung schnürt uns in ein Korsett und nimmt uns die Freiheit
Ja, viele haben Angst, dass sie nicht mehr individuell handeln können und Standards ihre Handlungs- und Entscheidungsfreiheit einschränken. Dabei ist genau das Gegenteil der Fall!
Denn wer flexibel handeln will, der braucht ein starkes Fundament. Wie bei einem Haus: ist das Fundament stark genug, kann ich die Wohnung, einzelne Räume, den Dachboden und alles andere oft beliebig anpassen. Natürlich immer mit Rücksicht auf die Statik. Habe ich kein Fundament, steht so ziemlich alles auf wackligen Beinen.
In Unternehmen bedeutet dies: Standards sorgen dafür, dass die Abläufe und Aufgaben geregelt „nach Plan“ ablaufen. Sie sind auf Effektivität & Effizienz ausgerichtet und entlasten in den Bereichen, in denen individuelles Handeln oder singuläre Lösungen nicht oder nur selten notwendig sind. Damit entlasten sie: alles, was wie gewohnt bearbeitet werden kann, läuft routiniert und (fast) fehlerfrei ab.
Damit kann man flexibel bleiben. Jede Veränderung kann klar bewertet werden. Jedes andere Handeln hat vorab klare Konsequenzen.
Fazit:
Für mich gehört die Standardisierung zu den einfachsten Möglichkeiten der Prozessoptimierung. Sie schafft Ordnung & Entlastung und steigert die Effizienz. Zudem liefert die Standardisierung sehr schnelle Ergebnisse und ist der perfekte Einstieg, um weitere, größere Verbesserungsmaßnahmen anzugehen.
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