Es gibt viele Methoden und Techniken, um Prozesse aufzunehmen, wie z.B. durch Interviews oder Workshops, mit Hilfe von Moderationstechniken oder direkter Visualisierung in Prozessmodellierungstools, und und und…In diesem Blogbeitrag geht es mal nicht um die „perfekte“ Methode, sondern ein paar Faktoren, die manchmal entscheidend für die Qualität und Vollständigkeit der Prozessaufnahme sein können, man oft aber gar nicht so wirklich beachtet.
Grenzen setzen
Üblicherweise wird vor einer Prozessaufnahme definiert, welche Prozesse es aufzunehmen und zu dokumentieren gilt. Daraus werden dann alle anderen Dinge, wie z.B. Workshop-Planung und Agenda abgeleitet. Je genauer man dies vorbereitet / vorbereiten kann, umso klarer wird auch, um welche Prozesse es wirklich geht. Was aber selten bis nie getan wird, das Gegenteil zu definieren. Also zu sagen, um welche Prozesse und Themen es NICHT geht. Tut man dies, hat man beide Seiten der Grenzen genau festgelegt. Was gehört dazu, was nicht?
Eine solche deutliche Abgrenzung hat einige Vorteile, wie z.B.
- Man kann schon im Workshop auf das richtige Thema lenken
- „Abschweifer“ kann man schneller zurück holen
- Man kann die Grenzen im Workshop verifizieren, also feststellen, ob diese Grenze wirklich auch der Realität entspricht
- Das Ergebnis der Prozessaufnahme ist deutlich besser, da man fokussierter arbeitet
Die richtige Hierarchiestufe
Die richtigen fachlichen Ansprechpartner sind wesentlich für eine erfolgreiche Prozessaufnahme. Genauso wichtig ist aber auch, dass der Ansprechpartner aus der richtigen Hierarchiestufe kommt. Denn nur so ist gewährleistet, dass der Ansprechpartner auch das notwendige Detailwissen, oder im umgekehrten Sinne Strategiewissen hat. Klar, man kann auch beides haben. Oft ist es aber so, dass Führungspersonen ein gutes und solides fachliches Know-How haben, weniger Detailwissen, daher mehr strategisches Wissen und Erfahrung. Im umgekehrten Fall kennen die „Facharbeiter“ die Abläufe von A-Z, kennen aber unter Umständen nicht alle Zusammenhänge oder Unternehmens- bzw. Bereichsstrategien.
Dies bedeutet, dass je nach Sinn und Zweck der Prozessaufnahme auch unterschiedliche Hierarchiestufen beteiligt werden müssen. Will ich Detailprozesse mit allen notwendigen Informationen aufnehmen, brauche ich jemand, der mir dieses Detailwissen liefern kann. Geht es mir um grobe Themen, und die Zusammenhänge und Abhängigkeiten zu Schnittstellenprozessen, ist eher jemand notwendig, der diese auch kennt bzw. kennen kann.
Die Würdigung von Alternativen
Sind mehrere Personen an einer Prozessaufnahme beteiligt, die alle die gleichen Tätigkeiten ausführen (oder ausgeführt haben), kommen oft auch unterschiedliche Vorgehensweisen ans Licht. Manchmal besteht da auch ein großer Gegensatz, wenn z.B. nur einer etwas „so“ macht, alle anderen machen es aber „so“. Hier neigt man dann oft dazu, in der Prozessaufnahme nur den Ablauf zu berücksichtigen, der im überwiegenden Fall auch so gemacht wird. Das kann zwei Folgen haben:
- Der / die Personen in der Unterzahl fühlen sich nicht wertgeschätzt. Im schlimmsten Fall verlieren sie die Bereitschaft, weiterhin aktiv und produktiv bei der Prozessaufnahme mit zu arbeiten
- Man verliert ggfs. wichtige Informationen, auch für spätere Prozessoptimierungen. Denn die wichtigste Frage ist: „Warum macht jemand etwas anders“. Nur dass diese Vorgehensweise in der Unterzahl ist, bedeutet nicht gleichzeitig, dass diese schlechter oder falsch ist.
Deswegen sollte man, egal in welcher Form, alle Varianten und Alternativen berücksichtigen und mit aufnehmen.
Der Quer-Check
Meine Empfehlung ist immer, die Teilnehmeranzahl bei Workshops nicht zu groß werden zu lassen. Dies bedeutet dann manchmal, dass ein Repräsentant die Prozesse für andere oder ein komplettes Team vertritt. Ähnliches gilt natürlich für Einzelinterviews.
In diesen Fällen sollte man berücksichtigen, dass man „nur“ eine Stichprobenaufnahme hat. Diese mag die Realität in einem hohen Grad wiedergeben. Sicherheitshalber sollte man hier einen Quer-Check machen, und die „Ansicht des Einzelnen“ mit anderen Beteiligten abstimmen und so sicherzustellen, dass wirklich keine Informationen auf der Strecke bleiben.
Im einfachen Fall ist das recht einfach, indem man die finale Prozessdokumentation zwecks Feedbacks an alle Beteiligten schickt. Geht schnell, birgt aber das Risiko, dass die Dokumentation nicht richtig oder sogar falsch verstanden wird, da die Leser nicht beim Workshop dabei waren. Sofern möglich empfehle ich daher immer, eine solche Abstimmung auch in einem gemeinsamen Termin zu machen, in dem man dann Verständnisfragen und offene Punkte klären kann.
Andere Sichten
Bei Prozessen und einzelnen Tätigkeiten gibt es oft viele Beteiligte, wie z.B. derjenige, der den Ablauf ausführt und derjenige, der dafür die passenden IT-Tools zur Verfügung stellt. Gerade in diesen Fällen kommt es oft vor, dass es eine „Wissenslücke“ zwischen den Beteiligten gibt. Nicht selten bekomme ich folgende Antwort, wenn ich den Ausführenden nach einer möglichen IT-Unterstützung zu seiner Tätigkeit bekomme: „Das geht nicht!“. Oder: „Das hatten wir schon mal geplant, lässt sich aber nicht umsetzen“. Das mag tatsächlich die Realität widergeben, aber genauso oft stellt sich bei genauerem Nachfragen heraus, dass es dennoch eine IT-Lösung gibt, die einfach nicht bekannt ist oder die man nicht richtig ausgeführt hat. Dieses kleine Beispiel zeigt, dass oft – wie in fast allen Bereichen – eine einfache Kommunikation wesentlich dazu beiträgt, Informationen zu verifizieren und zu qualifizieren.
Fazit:
Selbstverständlich sind die richtigen Methoden und Techniken wichtig, wenn man Prozesse aufnehmen und dokumentieren möchte. Und oft ist eine Prozessaufnahme auch in mehrere Teilschritte zerlegt, so dass man im Zweifelsfall noch nachkorrigieren kann. Dennoch gibt es daneben ein paar Dinge, die man beachten sollte, um wirklich vollständige und qualitativ hochwertige Informationen bei der Prozessaufnahme zu erhalten.