In letzter Zeit werde ich immer wieder auf BPMN angesprochen. Oder stoße in XING & Co. auf Themen und Diskussionen, die sich damit beschäftigen. Dass sich BPMN schon lange als Standard etabliert hat, gar keine Frage. Entsprechend gibt es „Jünger“, die BPMN auf einen Podest stellen, einen richtigen Hype darum machen und nichts anderes mehr zu lassen. Das halte ich für gefährlich.

Einer der Hauptgründe ist, dass die wenigsten überhaupt wissen, was BPMN ist, was es kann und wofür es gut ist.

Der typische Start

„Hallo Bernd, ich möchte meine Prozesse mit BPMN dokumentieren. Kannst du mir da weiterhelfen?“

So oder so ähnlich treten viele Leute mit mir in Kontakt. Ist ja erstmal schön. Wenn ich dann frage, was sie denn vorhaben und warum sie BPMN wollen, stellt sich dann schnell heraus, dass die Leute dem Trend und dem „vermeintlichen Standard“ folgen, ohne sich wirklich darüber Gedanken zu machen. Prozessmodellierung und die Nutzung entsprechender Tools ist für viele der Einstieg in die Welt des Geschäftsprozessmanagements. Das kann gut gehen, muss aber nicht.

Prozessmodellierung ist kein Selbstzweck. Prozessmanagement an sich soll dabei helfen, die Unternehmensstrategie umzusetzen und die Ziele besser zu erreichen. Dementsprechend verfolgt die Prozessdokumentation, in diesem Falle in Form der Visualisierung / grafischen Darstellung über Prozessmodelle auch bestimmten Zielen. Die typischen darunter sind:

  • Ich möchte Transparenz herstellen
  • Ich möchte Arbeitsanweisungen und Ablaufbeschreibungen für die tägliche Arbeit erstellen
  • Ich möchte Prozesse analysieren und optimieren

Vielen ist hier nicht klar, dass schon die Zielsetzung und die Nutzung deutlich mitbestimmt, für welche Form und Art der Dokumentation, und ggfs. auch Notation, ich mich entscheiden sollen.

BPMN

BPMN ist eine standardisierte Notation. Das ist eigentlich sehr gut, denn somit sorgt man schonmal für z.B. Harmonie und Vergleichbarkeit. Klar, das Gegenteil ist dann, dass man eingeschränkt ist. Ich muss mich an den Standard, z.B. die Art und Verwendung der Symbole halten. Ich kann zwar wegstreichen, und meine Konventionen noch hier und da anpassen. Aber die große Flexibilität ist nicht vorhanden. Im schlimmsten Fall heißt das: wer mit BPMN irgendwie gar nicht klarkommt, muss damit leben. Eigenbrötlerei ist da nicht.

Für viele ist, grad zum Einstieg oder bei den ersten Prozessarbeiten, aber vor allem eins wichtig: Einfachheit und schnelle Lösungen. Das wird mit BPMN schwer. Denn zu einem muss das Modellieren gelernt werden. Kurse gibt es zwar genug. Aber das reine Wissen ist oft nicht genug. Richtig gute Modelle erstellt man nicht nach einem Grundlagenkurs, sondern das erfordert jahrelange Erfahrung. Zum anderen wirken die Pools, Swimlanes und Objekte für viele Leser oft befremdlich. So zumindest meine Erfahrung. Verfolgt man das Ziel, schnell und einfach für Transparenz zu sorgen, ist BPMN aus meiner Sicht hier gar nicht geeignet. Dazu reichen oft einfache Modelle mit Wertschöpfungsketten oder Prozessflüssen. Diese müssen noch nicht einmal bestimmten Konventionen entsprechend oder in speziellen Tools modelliert werden. Ab ans Flipchart (oder PowerPoint) und „malen“, Hauptsache die Beteiligten wissen und verstehen, worum es geht.

Die Automatisierung

Die absolute Stärke von BPMN ist, die Prozessmodelle später einmal in entsprechenden Tools zu automatisieren. Das bedeutet, das zunächst einmal natürlich die Prozesse in den Tools modelliert werden müssen. Soweit so gut. Was aber viele nicht wissen: die Automatisierung ist damit noch lange nicht erledigt. Denn hinter die Prozessmodelle müssen noch Programmcodes gelegt werden, d.h. hier kommt noch die IT ins Spiel. Ansonsten ist nichts mit Automatik. Und man hat am Ende das, was man mit jedem anderen Prozessmodell der Welt auch hat: eine „einfache“ grafische Darstellung eines Ablaufs.

Hinzu kommt, so ist meine Erfahrung: die meisten wollen ihre Prozesse gar nicht über diesen Weg automatisieren. Heutzutage gibt es zig Möglichkeiten, Geschäftsprozesse über Workflows oder komplette Lösungen abzubilden und zu automatisieren. Warum also über Umwege gehen? D.h. ich erlebe immer wieder, dass DER große Vorteil von BPMN eigentlich kaum jemand wirklich interessiert.

Fazit

An dieser Stelle möchte ich nochmals hinweisen: Nein, das ist kein Beitrag gegen BPMN. Es gibt selbstverständlich auch genug andere gute Gründe, warum BPMN eine sinnvolle Wahl ist. Wichtig ist nur, dass man sich darüber bewusst wird, was man tun möchte, warum man es tut was die Auswirkungen davon sind. Wer mich kennt oder mich regelmäßig beim Prozessmaler verfolgt, der weiß, dass ich einerseits ein Freund von einfachen und pragmatischen Lösungen bin. Und zum anderen mache ich keinen Hehl daraus, dass ich immer noch ein Freund der guten alten EPK bin. Aber wie habe ich oben schon geschrieben: dem Leser muss es gefallen, nicht dem Scheiber. Ich kann auch begeistert mit BPMN modellieren, dann am Ende muss man eins festhalten. Es ist ein Werkzeug, nicht mehr und nicht weniger. Doch auch das beste Werkzeug bringt nichts, wenn man nicht damit umgehen kann oder es für die falschen Arbeiten einsetzt. Dann landet es irgendwann tief im Werkzeugkasten, und damit schnell in Vergessenheit. „Das mit dem Prozessmanagement funktionier doch eh nicht“, sind die Aussagen, die ich dann zu hören bekomme….

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